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Die Jahrhundertfinsternis am 11. August 1999
- Ein Erlebnisbericht -

in 48.90° Nördlicher Breite und 9.20° Östlicher Länge

Ludwigsburg

Die Sonnenfinsternis am 11. August 1999.
Eine Jahrhundertfinsternis. Zumindest für uns. Ist dies doch die einzige totale Sonnenfinsternis im 20. Jahrhundert, dessen Kernschatten Deutschland überfliegt, oder genauer: Süddeutschland.


Die Vorfreude

Eine totale Sonnenfinsternis!!
Was?! Sie kommt zu uns?
Ja sie kommt. Und zwar am 11. August 1999.
Eine Tatsache, die jedem von uns zu Ohren kommen mußte. Früher oder später erreichte sie jeden.
Ich nahm erstmals im Kosmos Himmelsjahr 1995 Kenntnis davon. Dies ist ein Wegweiser zu den astronomischen Ereignissen des Jahres und war 1994 ein Nikolausgeschenk meiner Eltern. Nun blieben aber noch knapp 5 Jahre bis zu diesem Ereignis. Ein Blick in die Zukunft ist daher unvermeidlich gewesen. Ich dachte also nach: Zu besagtem Termin müßte ich 19 Jahre sein. In die Schule werde ich wahrscheinlich nicht mehr gehen. Oh je, was werde ich 1999 wohl machen. Bin ich dann überhaupt noch in Ludwigsburg?

Ich war es, und in der langen Zeit bis zu diesem Termin, erinnerte ich mich immer wieder an das bevorstehende Jahrhundertereignis. Meine Freunde wußten zwar oft nicht worüber ich sprach, aber das war mir egal.

Unvermeidlich rückte der Termin näher. Plötzlich befand ich mich im Jahre 1999 und die Erinnerung überkam mich wieder. „Leute“, sagte ich „wir befinden uns im Finsternisjahr“. Und die Leute riefen zurück: „Ah ja?!“

Allmählich hörte man auch immer mehr in den Medien. Die Stuttgarter Hotels seien schon längst ausgebucht. Vor allem Amerikaner wollten die verfinsterte Metropole Baden-Württembergs besuchen. Die waren wohl schon besser informiert als die Leute hier in Mitteleuropa.
 

Die letzten Wochen davor

Die letzten Wochen standen voll im Zeichen der Sofi (Sonnenfinsternis). Das Kosmos Himmelsjahr 1999 lieferte nützliche Hinweise. Eine Sofi -Brille lag dem Buch bei (diesmal ein Weihnachtsgeschenk meiner Schwester). Das Buch „Sonnenfinsternis“ von Werner Raffetseder mußte besorgt werden. Die Mittagspausen bei der Arbeit wurden mit der Wissensaufnahme verbracht. Übrigens: Das Buch lieferte uns die zweite Sonnensichtbrille.

Mittlerweile gab es kaum noch jemanden, der nichts vom bevorstehenden Ereignis wußte. Meine Schwester flog nach Amerika. Jedoch nicht um vor dem drohenden Unheil, vor dem die Astrologen warnten (das große Kreuz, Nostradamus usw.), zu fliehen.

Wir verdoppelten unser Potential an Sonnenschutzbrillen, indem noch zwei davon in der Apotheke besorgt wurden (sicher ist sicher). Rechtzeitig. Denn schon montags, zwei Tage vor dem Ereignis, meldeten die meisten Geschäfte den Ausverkauf.

Fast täglich gab es nun Sondersendungen zur Einstimmung auf des große Spektakel. Die Wetterprognosen waren interessant wie nie zuvor. Lag die Beobachtungswahrscheinlichkeit eine Woche zuvor noch bei 60%, ging am Vortag mit 40% das große zittern los.

Die letzten Vorbereitungen wurden getroffen. Sollte die Sicht doch möglich sein, muß der Fotoapparat knipsbereit sein, am besten auch mit eingelegtem Film. Das Fernglas darf auch nicht fehlen, wäre doch damit die Korona und vielleicht auch der Merkur gut zu sehen. Das Thermometer zum Feststellen des Temperaturabsturzes, auch bei schlechtem Wetter zu gebrauchen. Und natürlich das Diktiergerät, damit die Ereignisse festgehalten werden können.

So, ich bin gerüstet. Der 11.08. kann kommen. Doch die Wolken sollen doch bitte endlich gehen.
 

11. August 1999 (Der Tag X)

9.30 Uhr
Mein Wecker geht an. Ich wache auf und denke schon Sekunden später an die Sonnenfinsternis. Wie ist das Wetter? Dies muß sofort überprüft werden. Kurze Enttäuschung. Es liegt eine dünne Wolkendecke über Ludwigsburg. Doch bei genauer Betrachtung sind Lücken in dieser Decke auszumachen. Hoffnung keimt wieder auf. Es ist ja schließlich noch etwas Zeit.

10.00 Uhr
Das Fernsehen einschalten. Cherno sitzt unter den Fassaden des Stuttgarter Wilhelmsbaus, dessen Säulen mit Goldpapier umwickelt sind, und unterhält sich mit irgendwelchen Fachleuten, die zur Zeit überall herumzulaufen scheinen, über alles rund um die Sonnenfinsternis. Jörg - der Kachelmann - gibt auch den Stuttgartern noch wettermäßig Hoffnung. Man sieht ihm aber an, daß er selbst kaum an eine freie Sicht glaubt.

10.50 Uhr
Warten auf das Videogerät, daß es endlich mit dem Aufnehmen der Live-Sondersendung beginnt...
Klack!! Er nimmt auf. Die ersten Bilder der Sofi sind somit schon gewährleistet.

10.52 Uhr
Jetzt aber nichts wie los zum Beobachtungsort. Ja genau, wo ist dieser eigentlich? Gut, nun wissen wir es freilich. Es ist unser Garten. Aber die Entscheidung fiel uns nicht leicht. Soll es nach Stuttgart auf den Schloßplatz gehen? Oder wie wäre es mit dem Marktplatz oder dem BlüBa in Lubu. Nein. Es ist unser Garten, denn da wissen wir was wir haben. In Stuttgart werden rund 1 Million Menschen erwartet. Möglicherweise würden wir vor lauter Leuten noch im S-Bahnschacht festsitzen. Nein, dieses Risiko können wir nicht auf uns nehmen - heute nicht.

10.57 Uhr
Wir fahren auf der B27. Es sind noch viele Menschen unterwegs. Wir sehen Autos aus Essen, Köln, Düsseldorf und auch aus Brandenburg und England ist jemand da. Im Radio berichten sie wieder einmal über die Jagd auf die Sonnensichtbrillen und warnen davor ungeschützt in die Sonne zu blicken.

11.05 Uhr
Wir erreichen unser Ziel. Auf dem Weg dorthin treffen wir zwei Gartennachbarn. Die letzten Vorbereitungen vor Ort werden getroffen. Das Stativ wird aufgebaut und das Fernglas bereitgelegt. Ein Platz für den Thermometer muß gesucht werden.

11.12 Uhr
Die Dokumentation auf dem Diktiergerät beginnt. Noch 1 Minute bis zum Beginn des Jahrhundertereignisses. Ein prüfender Blick gen Himmel. Er ist wolkenverhangen. Die Sonne läßt sich nur erahnen.

11.13 Uhr
Der 1. Kontakt!!!
Die Sicht bleibt uns verwehrt. Sichtbare Auswirkungen gibt es ansonsten natürlich noch keine.
Warten auf eine Lücke in der Wolkendecke.

11.20 Uhr
Das Thermometer zeigt eine Temperatur von 20,5° C an. Das Fallobst wird aufgesammelt.

11.29 Uhr
Endlich! Die Sonne scheint durch eine Wolkenlücke. Beeilung. Schnell die Sichtbrille aufsetzen und die Sonne beobachten... Tatsächlich. Der Mond hat von Westen her die Sonne berührt. Diese ist nun nicht mehr als runde Scheibe zu sehen. Ihr fehlt ein Stückchen. Wir befinden uns jetzt also im Halbschatten des Mondes.

11.30 Uhr
Die Wolken haben sich wieder vor die Sonne geschoben. Unsere Freude währte nur ein paar Sekunden. Hoffen auf Wetterbesserung in der nächsten Stunde.

11.32 Uhr
Eine neue Temperatur wird festgestellt. Das wahrscheinlich für Sekunden direkter Sonnenbestrahlung ausgesetzte Thermometer zeigt nun 26° C an.

11.43 Uhr
Die Wolken erlauben einen weiteren kurzen Blick auf das Objekt der Begierde. Wir sehen die fortschreitende Phase der Finsternis. Die Bedeckung dürfte jetzt ungefähr 50% betragen (Wunderbar).

11.51 Uhr
Einsetzender Regen. Es sieht nach einer kurzen Schauer aus. Die erst vor kurzem aufgestellten Liegestühle müssen in Sicherheit gebracht werden.

12.03 Uhr
Eine halbe Stunde noch bis zur Totalität. Das Wetter gefällt uns gar nicht. Die Wolkendecke wird immer dichter und verfinstert schon jetzt die Umgebung. Es regnet wieder.

12.05Uhr
Es regnet nicht mehr. Die Liegestühle werden wieder aufgebaut.
Ein Blick auf das Thermometer. Die Temperatur muß mittlerweile auf 28° C gestiegen sein. Momentan liegt sie allerdings bei 25° C, woran vermutlich die Wolkenbedeckung Schuld ist.
Die Sonne scheint wieder durchzukommen. Doch dies ist ein Trugschluß.

12.10 Uhr
Es ist jetzt 24° C. Himmel und Umgebung sind etwas dunkel: Das Wetter ist schuld!

12.15 Uhr
Die Sicht wird wieder frei. „Super, Ausgezeichnet, wir freuen uns“ rufe ich ins Diktiergerät. „Es ist nur noch eine schmale Sichel der Sonne zu sehen“.

12.16 Uhr
Noch knapp eine Viertelstunde bis der Tag zur Nacht wird. Ich hocke auf dem Liegestuhl und beobachte zwei Hummeln wie sie um ein paar Blumen summen. Sie scheinen noch nichts von der drohenden Dunkelheit zu spüren. Wir dagegen glauben eine langsame Verdunkelung in der Umgebung ausmachen zu können. Wir überlegen, ob dies an der kommenden Sonnenfinsternis oder an der sich wieder bedrohlich verdichtenden Wolkendecke liegt.
Es ist jetzt 23,5° C.

12.19 Uhr
Temperatur: 23° C.
Der Wind weht aus nordwestlicher Richtung.

12.24 Uhr
Temperatur: 22° C.

12.30 Uhr
Noch 2 Minuten und 57 Sekunden bis zur Totalität.
Über uns eine dichte Wolkendecke. Keine Chance für eine Beobachtung der Sonne.
Temperatur: 21° C.

12.31 Uhr
Keine 2 Minuten mehr. Eine Verdunkelung ist klar auszumachen. Ein beängstigender Dämmerungszustand liegt über der Landschaft. Ein Gefühl als stände etwas Furchtbares bevor.

12.31´ 47´´ Uhr
Noch 70 Sekunden bis die Mondscheibe die Sonne vollständig bedeckt.
Urplötzlich nimmt die Dunkelheit erschreckend schnell zu. Verflixt, wir können nichts sehen. Die Wolken versperren die Sicht. Die fliegenden Schatten, das Perlenschnurphänomen, der Diamantringeffekt, dies alles können wir nur ahnen.
„Jetzt ist die Totalität erreicht“, so denke ich. Aber es wird noch immer dunkler... immer dunkler. Das Radio eingeschaltet. „Es wird dunkel. Es kommen die ersten Leuchtraketen“ hört man die Moderatorin live vom Schloßplatz in Stuttgart sagen. „Aber man kann nichts sehen“. Also, in Stuttgart ist es auch nicht besser als bei uns. „Zum Glück haben wir leuchtende Blumen“, sagt meine Mutter da. Nur noch Sekunden. Wann ist es soweit? Zu blöd, meine Uhr geht um einige Sekunden vor.

12.32´ 57´´ Uhr
2. Kontakt! Die Totalität!!
In der Ferne ist ein Aufschrei zu hören. Das Knallen der Feuerwerkskörper hallt für Sekunden aus dem BlüBa zu uns herüber. Jetzt ist es gewiß. Wir befinden uns im Kernschatten des Mondes.
„Es ist fast stockfinster. Wir sehen nichts. Aber auch keine Verfinsterung. Nur Dunkelheit“, spreche ich in mein Diktiergerät. Eine gespenstische Ruhe umgibt uns. Fotos der Dunkelheit werden geschossen. Keine Korona leuchtet uns an und auch der Merkur versteckt sich hinter den dichten Wolken. Das Fernglas bleibt unangetastet in der Gartenhütte liegen.

12.35´ 09´´ Uhr
3. Kontakt! Ende der Totalität!!
Im Westen läßt die Sonne die Wolken goldgelb erscheinen. Das Ende des Kernschattens rast über Ludwigsburg. Im Osten sieht man noch die Dunkelheit. Doch schon erhellen die Sonnenstrahlen auch den Osten. Es wird nun wieder zusehends heller. Ein Zug hupt, um die Sonne zu begrüßen. Zwei Vogelschwärme fliegen kreischend knapp über unsere Köpfe. Die Natur erwacht wieder.

12.41 Uhr
Die Luft hat sich merklich abgekühlt. Wir haben eine Temperatur von 19° C.

12.55 Uhr (ungefähr)
Die Wolken lockern etwas auf. Die Sonne ist in etwa zu erkennen. Man sieht, wie der Mond nun die linke Seite der Sonne bedeckt. Eine Sonnensichel ist auszumachen, dessen Öffnung gen Osten zeigt.

13.14 Uhr
Meine Mutter macht noch Fotos. Ein Temperaturanstieg hat stattgefunden. Wir messen jetzt 21° C. Das Radio spielt Musik.

13.27 Uhr
Erneuter Regeneinbruch. In einer halben Stunde ist das Naturschauspiel vorbei. Wird es noch einmal etwas zu sehen geben?

13.36 Uhr
Es schüttet wie aus Eimern. Von Westen her ist aber eine Auflockerung zu erkennen. Eine Pfirsich wird gegessen.

13.41 Uhr
Es hört auf zu regnen. Die Wolken werden heller. Ein Durchbruch ist aber nicht in Sicht.

13.57 Uhr
4. Kontakt! Die Finsternis ist vorbei!!

14.10 Uhr
Die Vergewisserung. Die Sonne scheint durch eine größere Lücke in den Wolken. Der Mond bedeckt sie nicht mehr. Es ist geschafft. Es ist vorbei. Und wir können uns auf den Heimweg machen.

14.16. Uhr
Die Sonne scheint. Es ist das schönste Wetter. Nur leider zu spät.
 

Das Fazit

Gesehen haben wir ja nicht besonders viel. Das Verpaßte kann jetzt noch mit Hilfe des Videos nachgeholt werden.
Passiert ist uns nichts. Die Sonne hat uns wieder, und von Nostradamus keine Spur. Wer hat schon an den Weltuntergang geglaubt? Die Astrologen jedenfalls haben uns vor dem August 1999 gewarnt. Und, man mag es gar nicht glauben, keine Woche nach der Jahrhundertfinsternis sucht die Türkei ein Jahrhunderterdbeben heim. War es Zufall? Wußten es die Sterne schon früher? Man wird es wohl nie feststellen können.

Ein kleiner Trost an alle Sofi-Fans in Süddeutschland: Auch wenn die Korona meist nicht zu sehen war. Man kann allen erzählen: „Ich war über 2 Minuten im Kernschatten des Mondes“, und wer kann das schon von sich behaupten.

Andreas M.

 

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